Keiner geht von Bord!
Sicher – Meetings gehören in einen Meetingraum. Aber in ganz bestimmten Situationen ist es besser, sich auf einem Boot zu treffen. Warum das so ist, lesen Sie hier.
Es geht auf Reise
Konflikte, vergiftete Atmosphäre, unüberwindbare Gräben zwischen den Beteiligten – davon sind besonders Projekte und Prozesse in Krisensituationen gekennzeichnet. Manchmal sind diese Konflikte so stark, dass es keine Grundlage mehr für eine professionelle Zusammenarbeit zu geben scheint – das nehme ich immer wieder in meinen Turnaround-Projekten wahr. Solche Zustände sind jedoch untragbar!
Das komplette Team auszutauschen, neue, unbelastete Akteure zu finden, einen Neuanfang zu machen – das geht in diesen Krisensituationen nicht. Es gilt also, die Menschen auf eine Reise zu einer neuen Geisteshaltung, zu einer neuen Einstellung, einer neuen Vision, zu einem neuen Ziel mitzunehmen. Das gelingt jedoch nicht nur, wenn man mit den jeweiligen Beteiligten am Konflikt spricht, also einzelne individuelle Themen behandelt, oder zwischen den Kontrahenten zu vermitteln versucht. So kann man zwar „Einzelschicksalen“ begegnen, aber das große Ganze wird dadurch noch nicht stimmig und rund.
Aus dem Meetingraum ins Boot
Ich gehe in solchen Situationen immer in zwei Schritten vor:
- Zunächst hole ich alle Beteiligten in einem Meetingraum zusammen. Dort mache ich eine klare Ansage. Ich erkläre, was ich von einer professionellen Zusammenarbeit erwarte. Dass wir nicht nur individuell agierende Menschen sind – jeder nur zuständig für den eigenen Prozessschritt –, sondern Teil eines großen Ganzen. Jeder einzelne ist verantwortlich für den gesamten Prozess, für das gesamte Projekt, das am Ende einen Wert für den Kunden stiften soll. Dieses Meeting ist also der Startpunkt für den Weg zu einer neuen Geisteshaltung, zu einer neuen Art der Zusammenarbeit. Auf das, was wir in diesem Meeting gemeinsam vereinbaren, können sich alle in Zukunft berufen – das ist vor allem dann hilfreich, wenn es Abweichler von der dort kommunizierten neuen Haltung gibt.
- Und weil ich aber auch denke, dass ein solches Meeting in einem nüchternen Meetingraum nicht ausreicht, um die Beteiligten auch emotional wieder in ein Boot zu holen, machen wir anschließend genau das: Wir setzen uns in ein Boot. Das kann auch ein kleines Schiff oder ein Ausflugsdampfer sein – je nach Gruppengröße. Oder ein Boot im übertragenen Sinne. Wichtig ist jedoch, dass es sich um eine „geschlossene“ Veranstaltung handelt: Nur die Betroffenen nehmen daran teil, und niemand kann sich einfach so wieder aus dem Staub machen. Sprich: Die Menschen müssen sich miteinander austauschen, sie müssen miteinander reden, es gibt keine Möglichkeit auszuweichen. Es geht also darum, sich für ein paar Stunden aus dem Büro- und Projektalltag zu lösen, gemeinsam etwas ganz anderes zu tun – über einen Fluss zu schippern, gutes Essen und vielleicht ein Glas Wein zu genießen, um so eine ganz neue Ebene miteinander zu finden. Das gibt allen die Chance, festzustellen, dass das jeweilige Gegenüber genauso ein Mensch ist, wie man selbst, ähnliche Zwänge empfindet, unter Druck steht, Herausforderungen meistern und Ziele erreichen will.
Diese Vorgehensweise mag auf den ersten Blick drastisch aussehen – ich würde sie eher als intensiv bezeichnen. Genau diese Intensität ist es nämlich, die die handelnden Personen einander wieder näher bringt und eine bessere Zusammenarbeit in der Zukunft bedingt. Und ich verspreche Ihnen: Diese beiden Veranstaltungen – das Meeting und die Bootsfahrt – werden sich im Rückblick als wegweisende Meilensteine erweisen, an die sich jeder im Projekt später intensiv erinnert.
Foto: See-ming Lee, Dragon Race, CC BY 2.0
1 Comment
[…] Der erste Impuls handelt von einer konfliktgeladenen Situation, vergifteter Atmosphäre bzw. scheinbar unüberwindbaren Gräben zwischen Kunde, Dienstleister und beteiligten Vendoren. Und wie eine Brandrede und eine direkt nachgelagerte Schifffahrt mit über 40 Beteiligten den Neuanfang einer konstruktiven Zusammenarbeit ermöglichte. Nähere Details dazu hier. […]