Grenzen testen: Erfolgsfaktor für TurnAround-Projektmanager
Tritt ein Turnaround-Projektmanager ein neues Projekt an, geschieht dies meist nicht im Rahmen einer operativen Rolle. Er hat also keine operative Verantwortung, geschweige denn Budget- oder Personalverantwortung. Er ist lediglich dafür zuständig, Kundensituationen zu stabilisieren. Sicherlich ist er mit gewissen Verantwortungen und Kompetenzen ausgestattet – doch welche das sind und wie weit sie reichen, gilt es zu überprüfen und zu validieren.
Der Turnaround-Projektmanager hat es in der Regel mit unterschiedlichen Adressaten-Kreisen zu tun: Auftraggeber, Team, Kunden, Vendoren und weiteren Stakeholdern. In allen Kreisen muss er – ganz besonders in den Anfangswochen seines Engagements – die Grenzen seiner Verantwortung und Kompetenz austesten. Wozu ist er berechtigt und wozu nicht? Was darf er und was nicht? Wie lange ist die Leine, an der er läuft, und wann zieht sich die Schlinge um seinen Hals zu?
Diese Grenzen kann ein Turnaround-Projektmanager auf ganz unterschiedliche Art und Weise ausloten – wobei er immer mit kleinen Dingen anfangen und deren Tragweite sukzessiv erweitern sollte:
- eine Entscheidung treffen, die so von ihm noch nicht getroffen wurde;
- eine Team-Rochade durchführen – also die Mitarbeiter zweier Teams gegeneinander austauschen;
- mit einem Beteiligten beim Kunden sprechen, der eine oder zwei Hierarchieebenen höher angesiedelt ist als diejenigen, mit denen er es bis dahin zu tun hatte;
- im Bereich des Teams Entscheidungen herbeiführen, die diejenigen des Linienmanagers konterkarieren oder widerrufen.
Sammelt der Auftraggeber tatsächlich Briefmarken?
An der Reaktion der anderen Beteiligten kann der Turnaround-Projektmanager dann sehen, wo die Grenzen liegen: Unterstützt ihn beispielsweise der Auftraggeber nach einer einmal getroffenen Entscheidung weiter? Akzeptiert er die Team-Rochade oder zitiert er ihn herbei und stellt ihm kritische Fragen dazu? Oder hat der Turnaround-Projektmanager sogar den Eindruck, dass der Auftraggeber im Hintergrund „Briefmarken sammelt“ – also eine Art Strichliste über die Grenzüberschreitungen des Turnaround-Projektmanagers führt, ohne ihm dies mitzuteilen?
Bekommt der Turnaround-Projektmanager also schon bei den kleinsten eigenen Entscheidungen Gegenwind aus dem Team, vom Auftraggeber, vom Kunden etc., ist klar: Die Grenzen sind zu eng gesteckt. Weil ein Turnaround-Projektmanager jedoch Handlungs- und Entscheidungsspielraum braucht, um seinen Auftrag erfüllen zu können, muss er in solchen Fällen das Gespräch mit den jeweiligen Betroffenen suchen und gemeinsam mit ihnen überlegen, wie und wo diese Grenzen erweitert werden sollten.
So lange testen, bis etwas passiert
Bleibt der Gegenwind aus, heißt dies nicht automatisch, dass alles gut ist. Vielmehr gilt es, so lange weiter zu testen, bis dieser Gegenwind kommt – denn erst dann kennt der Turnaround-Projektmanager den Rahmen, innerhalb dessen er sich bewegt, und kann entscheiden, ob er ausreicht, die eigene Aufgabe zu erfüllen, oder ob ein Gespräch nötig ist, in dem Entscheidungskompetenzen und -befugnisse diskutiert und im Zweifel bewusst erweitert werden.
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[…] Hier können Sie die ersten beiden Blog-Artikel lesen: Welche Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse braucht ein Turnaround-Projektmanager und Grenzen testen: Erfolgsfaktor für Turnaround-Projektmanager […]