Eingeständnis ist der erste Schritt zur Besserung:
So retten Sie Projekte
In Projekten verhalten sich die Menschen oft so, als seien sie Alkoholiker oder hätten eine Ehekrise: Die eigene schwierige Situation eingestehen? Fehlanzeige! Stattdessen wird Außenstehenden eine heile Welt vorgegaukelt. „Probleme? Schieflage? Wir doch nicht! Hier ist alles in Ordnung! Ehrlich!“ Komisch, dass dennoch zwei Drittel aller Projekte – und knapp die Hälfte aller Ehen – scheitern. Das zeigt deutlich: Probleme gibt es immer und überall. Nur wer sie sich eingesteht, kann sich auf den Weg machen, sie zu lösen.
„Dies ist kein Turnaround-Projekt!“
Projekte scheitern aus ganz unterschiedlichen Gründen – sie erreichen ihre Ziele nicht, liefern nicht die erwarteten Ergebnisse zu den vereinbarten Terminen und in der geforderten Qualität, von den außer Kontrolle geratenen Kosten einmal ganz zu schweigen. Und es gibt sie überall. Auch wenn alle Beteiligten etwas anderes behaupten.
Ich traf einmal den CIO eines großen mittelständischen Unternehmens zum Mittagessen. Er erzählte mir ausführlich von seinem Projekt, das er gerade leitete. Schwärmte in den höchsten Tönen, malte in den schillerndsten Farben aus, wie das Unternehmen von den Projektergebnissen profitieren würde und so weiter. Nach einer Stunde Lobhudelei rückte er dann mit der Sprache aus: Das Projekt laufe seit einem halben Jahr und habe schon jetzt ein halbes Jahr Verzug. Mir fiel fast die Gabel aus der Hand. Trotzdem, so fuhr er fort, sei er immer noch guter Hoffnung, dass er die Ziele in zweieinhalb Jahren erreichen werde. Was heißt guter Hoffnung. Absolut sicher sei er sich. Dann legte er die Hand auf meinen Unterarm und sagte: „Aber, Herr Koerting, nicht, dass wir uns falsch verstehen. Dies ist kein Turnaround-Projekt.“ Ah, ja. Kein Turnaround-Projekt.
Mit dem Kopf in der Schlinge
Klar: Bei Projektentscheidern und Projektsponsoren hängt natürlich immer sofort der Kopf mit in der Schlinge, wenn ein Projekt nicht so läuft, wie es soll. Auch beim Projekt Flughafen Berlin Brandenburg ist der Go-Live-Termin erst drei Wochen vorher abgesagt worden – keiner der Verantwortlichen hat bis dahin eingestanden, dass sich dieses Projekt in Schieflage befindet. In gewisser Weise verständlich.
Wer sich jedoch nicht eingesteht, dass sich ein Projekt in Schieflage befindet, beraubt sich selbst und damit das ganze Projekt der Grundlage, um an eine Verbesserung auch nur zu denken. Alle Projektbeteiligten müssen hier auf einer Wellenlänge sein und sich sehr bewusst machen: Ja, unser Projekt läuft gerade vor die Wand! Erst wenn sie dieses Selbstverständnis entwickeln, können sie die Geisteshaltung aufbauen, die sie brauchen, um das Projekt zu retten. Das gilt übrigens nicht nur für Projektmitarbeiter. Sondern auch für Alkoholiker. Und natürlich auch für alle, die sich gerade in einer Ehekrise befinden.