Die Deutsche Bank erfindet sich neu:
6 Erkenntnisse für Projekte in Krisensituationen
Teile des Managements sind gefeuert, der neue CoCEO scheut die Öffentlichkeit, dramatisch schlechte Nachrichten werden verkündet, niemand weiß so genau, wie es weitergehen wird – die Deutsche Bank steckt in Schwierigkeiten. Daraus können Projektmanager etwas lernen.
Ein Paukenschlag nach dem anderen
Die Führungsetage der Deutsche Bank war in diesem Jahr oft in den Schlagzeilen: Zuerst musste Anshu Jain als CoCEO gehen und mit ihm weitere Manager. Dann kam John Cryan als neuer CoCEO. Die erste große Nachricht, die er nach ungefähr 100 Tagen im Amt veröffentlichte, war keine gute: Die Bank hatte einen massiven Quartalsverlust gemacht – 6.200.000.000 Euro. Ein paar Tage später, am 18. Oktober, dann der nächste Paukenschlag: John Cryan verkündete eine der größten Restrukturierungen des Vorstandes und der angeschlossenen Geschäftsbereiche, seit es die Bank gibt.
Erkenntnisse sind wichtiger als Methoden
Ich habe viele Jahre angestellt und als Berater bei der Deutschen Bank gearbeitet. Deshalb weiß ich, dass dieses Unternehmen eine gute interne Kultur hat und seine Mitarbeiter nachhaltig und professionell ihre Ziele verfolgen. Aus dem, was aktuell in der Bank passiert und nach außen hin wahrnehmbar ist, und auf Basis meiner Spezialisierung auf Projekte in Krisensituationen weiß ich aber auch: Erkenntnisse und Learnings sind deutlich wichtiger als jede Projektmethode. Takeaways, Consolidated Findings – wie auch immer Sie die Lehren, die Sie aus Ihren Projekten (und Ihrem Leben) gezogen haben, nennen wollen: Sie bilden die Grundlage eines aktiven Handelns in allen weiteren Projekten.
Hier sind die aus meiner Sicht 6 wichtigsten Erkenntnisse für das Turnaround-Projektmanagement, die ich aus der Ankündigung der Restrukturierung bei der Deutschen Bank gewonnen habe:
1 – Kündigen Sie an, dass es Veränderungen geben wird
Als John Cryan den Posten des CoCeo bei der Deutschen Bank übernahm, veröffentlichte das Unternehmen eine Pressemitteilung. Darin stand, dass es grundsätzlich an seiner Strategie festhalten wird, in großen Herausforderungen steckt und weitreichende Änderungen anstrebt. Über kleine weitere Artikel bereitete die Bank sowohl die Mitarbeiter als auch die Öffentlichkeit auf diese Änderungen vor.
Für Projekte in Schieflagen und Krisensituationen heißt das: Es ist sehr wichtig, die anstehenden Veränderungen initial anzukündigen, damit sich die Mitarbeiter und das Umfeld darauf einstellen können. Gleichzeitig ist es aber auch entscheidend, das Feld so offen zu lassen, dass es viel Raum und Platz für die konkrete Gestalt dieser Veränderungen geben kann.
2 – Agieren Sie hinter den Kulissen, nicht auf der Bühne
John Cryan war in der Öffentlichkeit ein unbeschriebenes Blatt. Selbst innerhalb der Deutschen Bank, in deren Aufsichtsrat er seit 2013 saß, kannten ihn viele Mitarbeiter nicht. Öffentlichkeit, Presse, Bühne, Rampenlicht – das alles scheint der analytisch und kritisch denkende Manager nicht zu brauchen. Und entsprechend verhielt er sich während seiner ersten 100 Tage in seiner neuen Rolle: Kaum etwas drang an die Öffentlichkeit, und auch intern lief die Kommunikation weitestgehend auf Sparflamme. John Cryan hörte zu, um zu verstehen – und nicht um zu antworten.
Auch in Projekten in Schieflage ist diese Vorgehensweise angebracht. Anstatt viel Getöse zu veranstalten und jeden Tag eine Pressekonferenz einzuberufen, ist es wichtig, aktiv zuzuhören und sich ansonsten zurückzuhalten. Analyse, Konzentration auf das Wesentliche, aus den Erkenntnissen Schritt für Schritt eine Herangehensweise ableiten – statt großer Trommelwirbel und dramatischer Auftritte. Machen Sie sich keine Sorgen: Sie werden trotzdem ernst genommen.
3 – Nehmen Sie sich Zeit, aber agieren Sie schnell
100 Tage – das ist der Zeitraum, den sich ein Neuling nehmen sollte. Auch John Cryan tat das – obwohl die Öffentlichkeit schon nervös wurde. Als er dann nach 100 Tagen die Ergebnisse seiner Analysen und die Veränderungen auf der Personalebene publik machte, kam dies einem Paukenschlag gleich. Es wurde klar, wie schnell und intensiv er hinter den Kulissen gearbeitet hatte.
Für Turnaround-Projekte gilt das gleiche: Nehmen Sie sich Zeit und treffen Sie keine überstürzten Entscheidungen! Schlafen Sie eine Nacht, bevor der Entscheidungsdrang mit Ihnen durchgeht. Sammeln Sie aber schnell, analytisch und fokussiert die Fakten. Transformieren Sie diese dann in Handlungsfelder und umzusetzende Maßnahmen. Ein Balanceakt, sicher. Aber enorm wertvoll.
4 – Zerstören Sie Allianzen
Die Ankündigung der Deutschen Bank hat viele Vorstandsmitglieder und Manager der nachgeordneten Ebene betroffen. Es gab Beförderungen, Seitenschritte, Downgrades und Rauswürfe. Wie auch immer man das bewertet – dadurch geschah auf jeden Fall eins: Auf der Topmanagement-Ebene wurden Allianzen und Loyalitäten zwischen langjährigen Weggefährten zerstört. „Anshus Truppen“, wie es intern hieß, rückten deutlich in den Hintergrund, alte Seilschaften wurden gekappt.
Auch in Projekten, die Sie als Krisenprojekt übernehmen, gibt es diese alten Seilschaften. Wenn diese einen hohen Einfluss haben und Sie nicht unterstützen bzw. den Turnaround sabotieren, ist das die „Todeszone“, in der Sie aufräumen müssen. Überlegen Sie sich sorgfältig, wie und welche Teile der Allianzen Sie zerschlagen oder neu ausrichten.
5 – Verändern Sie erst die Organisation, dann den Inhalt
Nach den personellen Veränderungen kommen die strategischen, auch bei der Deutschen Bank: Die Details der neuen Strategie 2020 werden am 29. Oktober veröffentlicht. Die inhaltlichen Veränderungen später anzukündigen als die organisationalen, hat zwei wichtige Effekte: Zum einen wird dann die Aufregung um die Restrukturierung verklungen sein und die Inhalte bekommen die ihnen zustehende Aufmerksamkeit. Und zum anderen wird die neue Strategie automatisch zur Strategie der neuen Führungsmannschaft. Perfektes Timing.
In Projekten in Schieflage sollten Sie ebenfalls so handeln: Ändern Sie erst die Organisation und nehmen dann die – durch die neuen Manager getragene – inhaltliche Adjustierung vor.
6 – Massive Action!
In Bezug auf die Zahl der betroffenen Ressorts und Vorstandsmitglieder ist die anstehende Restrukturierung eine der größten und einflussstärksten in der Geschichte der Deutschen Bank. Und dabei wird es nicht bleiben! Die anstehende Neuausrichtung der Strategie wird ein ähnliches Ausmaß haben, vermutlich noch wichtiger und noch richtungsweisender sein – kein schleichender Prozess, sondern eine dramatische, radikale Veränderung.
In Turnaround-Projekten gehen Sie am besten genauso vor: Vergessen Sie die Salami-Taktik. Gehen Sie deutliche Schritte in die richtige Richtung. Go bold and big.
Was sind Ihre Erkenntnisse? Teilen Sie sie – gerne hier in den Kommentaren.