Potential Future Fuck-ups
Machen wir uns nichts vor: Wer in Projekten oder Delivery-Situationen das Wort „Risiko“ oder gar „Risikomanagement“ in den Mund nimmt, erntet bei seinem Gegenüber meistens keine erhöhte Aufmerksamkeit, sondern eine eher gelangweilte Miene, begleitet von einem Schulterzucken. Die Lösung: Sprechen Sie einfach nicht mehr von „Risiken“.
Provokante Wortwahl
Risiken zu identifizieren, die ein Projekt aktuell oder in Zukunft stemmen muss, und zu überlegen, wie diese Risiken gemanagt werden könnten, langweilt die Projektmitarbeiter – seien diese Risiken auch noch so augenfällig und akut. Ich bin deshalb dazu übergangen, nicht mehr von „Risiken“ zu sprechen, sondern von „Potential Future Fuck-ups“. Wenn ich diesen Terminus das erste Mal benutze, ernte ich deutliche Reaktionen: Die meisten Projektmitarbeiter kichern, manche ziehen die Augenbrauen hoch, und einige sind auch ein bisschen entrüstet ob dieser Wortwahl. Damit habe ich schon erreicht, was ich erreichen will: Es geht mir darum, eine gewisse Emotionalität zu provozieren, die diesem wichtigen Thema die Aufmerksamkeit beschert, die ihm gebührt. Und noch etwas geschieht dadurch: Die Projektmitarbeiter nähern sich diesem Thema wieder mit etwas mehr Spaß – sie machen sich dann mit neuem Schwung daran, zukünftige mögliche Projektrisiken zu identifizieren und aufzuschreiben.
Risiken zu identifizieren, macht Spaß!
Aber eigentlich habe ich jetzt gerade den zweiten Schritt vor dem ersten beschrieben: Zunächst frage ich die Teilnehmer eines entsprechenden Meetings, was sie im Moment bewegt; was sie Kraft und Energie in ihrem Arbeitsalltag kostet. Auf Basis dieser Antworten frage ich dann, was denn die „Potential Future Fuck-ups“ für das gesamte Projekt sein könnten. Nach dem allgemeinen Erstaunen und Vergnügen über diese etwas rustikale Wortwahl, tritt das zutage, was ich mir davon erhofft habe: Die Teilnehmer öffnen sich und können ganz anders, neu und kreativ darüber nachdenken, was in der Zukunft eventuell schieflaufen könnte und wo die ganz speziellen Risiken unseres gemeinsamen Projekts liegen. Haben wir diese gesammelt, übertragen wir sie in ein Potential-Future-Fuck-up-Register, so dass sich die einzelnen Punkte gut nachhalten lassen.
[quote title=“Fuck-up“ Text=“Das war ein richtiger Fuck-up“ name=“Name ist der Redaktion bekannt“ name_sub=“:-)“]
Es gibt noch etwas, das dann geschieht: Das Wort „Fuck-up“ verselbständigt sich meist. Die Projektmitarbeiter benutzen es irgendwann für alles, was zu einem Issue im Projekt wird. Ob die offene Stelle nicht besetzt werden konnte oder das letzte Steering Board daneben gegangen ist: „Das war ein richtiger Fuck-up“, heißt es dann meist. Indem die Projektmitarbeiter dieses Wort benutzen, stellen sie eine Verbindung her zwischen dem, was nicht gut geklappt hat, und dem, was möglicherweise in der Zukunft nicht gut klappen wird – den Potential Future Fuck-ups eben.
Fazit
Terminologisch über die Stränge zu schlagen und Worte zu benutzen, die zumindest anstößig sind bzw. in so einem Umfeld ganz und gar nicht üblich, weckt also die Emotionalität und öffnet den Geist für ganz bestimmte andere Diskussionen und Zusammenhänge, über die man unter der Überschrift „Risiken und Risikomanagement“ schon lange nicht mehr spricht.